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HDTV � alles neu kaufen oder was?

Fernsehen Deluxe

HDTV – alles neu kaufen oder was?

Mit der Einführung von High-Definition-TV hat das PAL-Fossil endlich ausgedient. Doch der neue Fernsehgenuss wird leider nicht frei Haus geliefert.

PHILIPPE WEIBEL Das «neue» Fernsehen ist in aller Munde, ob bei der Werbung für Flachbildschirme oder bei Sportereignissen wie der Fussballweltmeisterschaft 2006. Was steckt jedoch dahinter und wie funktioniert diese Technik? Was benötigt man für den Empfang? Gibt es schon entsprechende Programmangebote? Kann bereits selber in HDTV produziert werden? Ein Überblick.

HDTV – was dahinter steckt

Die Abkürzung HDTV steht für «High Definition Television», also für hochauflösendes Fernsehen und Video. Das ist der grösste Fortschritt, seit 1954 das Farbfernsehen eingeführt wurde.

Nach herkömmlicher Technik – genannt SDTV oder «Standard Definition Television» – setzt sich ein Fernseh- oder Videobild bei PAL im Seitenverhältnis von 4:3 aus 576 sichtbaren Zeilen zusammen. Auf jeder Zeile können bis zu 720 Bildpunkte (Pixel) dargestellt werden, sodass ein Bild insgesamt 414700 Bildpunkte enthalten kann. Diese 576 horizontalen Zeilen bekommt man allerdings nicht gleichzeitig zu sehen. Weil Mitte des letzten Jahrhunderts noch nicht so grosse Informationsmengen übertragen werden konnten, erfand man eine Methode, zuerst die Zeilen 1, 3, 5, 7 und so weiter zu übertragen und danach die Zeilen 2, 4, 6, 8 etc. Der Aufbau eines «Halbbildes» dauert hier 1/50 Sekunde. 2 Halbbilder benötigen 1/25 Sekunde, das ist schnell genug, dass sich infolge der Trägheit des Auges die beiden Hälften im Gehirn zu einem vollständigen Bild addieren. Dieses Verweben von Halbbildern miteinander nennt man «Zeilensprung»-Verfahren oder «Interlacing». Damit sind allerdings auch Nachteile verbunden, vor allem Flimmern und unschöne Bewegungsdarstellungen.

Zusammenfassend springen zwei grosse Nachteile ins Auge: das Interlaced-Verfahren, das für Kathodenstrahlröhren angenehme Qualität liefert, jedoch für LCDs, Plasmas und Beamer nicht genügt. Weiter ist die beschränkte Auflösung von 414700 Bildpunkten verbesserungsfähig. Hier setzt HDTV an.

Anders als herkömmliches Fernsehen und Video ist HDTV kein starr definiertes System. Es lässt sich individuellen Erfordernissen anpassen. Folglich gibt es HDTV in verschiedenen Ausführungen. Die zwei bekanntesten sind zurzeit folgende Systeme:

1280x720p (Bezeichnung: 720/p/50) bringt 1280 Bildpunkte in der Horizontalen und 720 Zeilen, die progressiv dargestellt werden. Man bekommt also 50 Vollbilder zu sehen, was gegenüber den Halbbildern von herkömmlichem Fernsehen und Video einen enormen Gewinn an Informationsdichte, Schärfeeindruck und Bildruhe bringt. Hinzu kommt eine Verdoppelung des Detailreichtums in Breite und Höhe. Für die progressive Bilddarstellung spricht ausserdem, dass sie einfacher und effizienter zu komprimieren ist und eine verbesserte Bewegungsdarstellung mit sich bringt.

1920x1080i (Bezeichnung 1080/i/25) bietet fünf Mal so viel Bildinformation wie herkömmliches Fernsehen und Video (bis zwei Millionen Pixel pro Bild). Dass diese Bilder «interlaced» mit nach wie vor 50 Halbbildern übertragen werden, liegt zum einen daran, dass hier für progressive Übertragung ein enormer Datenaufwand nötig wäre, andererseits daran, dass bei dieser Informationsdichte das Interlacing kaum noch nachteilig in Erscheinung tritt. Die längerfristigen Planungen von Geräteherstellern und Fernsehanstalten sehen allerdings vor, in einigen Jahren auch 1080 Zeilen progressiv zu übertragen (1080/p/50).

Alle HDTV-Bilder werden im Format 16:9 (Breitbildformat) geliefert, was gegenüber dem alten 4:3-Format die hohe Auflösung erst ermöglicht.

Alles in allem bringt HDTV drei lang erwartete Neuerungen:

  • Bis zu fünf Mal so viel Bildinformation – das ergibt einen berauschenden Gewinn an Bildschärfe, Detailgenauigkeit, Plastizität und auch Farbtreue.
  • Das 16:9-Format kommt dem natürlichen Sehen entgegen und bringt Kinofilme optimal zur Geltung.
  • Die Möglichkeit des progressiven Bildaufbaus ergibt einen bedeutend höheren Schärfeeindruck und produziert flimmerfreie Bilder (Cinelook), auch für Videografiker ein wahres Vergnügen.

Da man bei HDTV von einer völlig neuen Fernseh- und Videogeneration sprechen kann, betrifft die Einführung dieses Systems von der Akquisition bis zur Bildschirmdarstellung alles und alle. Mit anderen Worten: Man muss bereits als Konsument ins Portemonnaie greifen. Was wird einem dafür geboten?

Der Markt zieht an

In Ländern wie den USA und Japan ist HDTV bereits Realität. Während in Japan fast alle Sender nur noch in HD ausstrahlen, haben auch die USA bereits 1000 HD-Kanäle im Angebot.

Bisher gibt es in Europa erst eine allgemein empfangbare Station mit einem regulären Vollprogramm: HD-1 (bislang bekannt als «Euro 1080») sendet auf zwei Kanälen. Der «Main Channel» enthält ein frei empfangbares Fernsehprogramm. Das Programm besteht hauptsächlich aus Sportübertragungen, Opern, Konzerten und Ballettaufführungen, Reisefilmen, Mode und Kultursendungen. Zwecks Werbung für HD-1 in der Öffentlichkeit wird der «Main Channel» auch in öffentlichen Einrichtungen wie Gaststätten, Sportbars, Konferenzzentren und Flughäfen gezeigt. Der «Event Channel» von HD-1 wird per Satellit an Kinos übermittelt, die mit elektronischen Projektionssystemen und 5.1-Surround-Sound ausgestattet sind. Einige Veranstaltungen werden live und nur einmal übertragen, andere wiederum können per Satellit über Nacht runtergeladen und vorübergehend auf lokalen Servern zur Wiederausstrahlung gespeichert werden. HD-1 wird ausschliesslich in einer Auflösung von 1920 x 1080 Bildpunkten bei 50 Hertz und interlaced übertragen.

Neben HD-1 tut sich in diesen Tagen einiges. In Deutschland wird Premiere am 1. November 2005 via Astra-Satellit mit HDTV starten. Der Abo-Sender hat angekündigt, drei HDTV-Kanäle mit den Inhalten Sport, Spielfilme und Dokumentationen anzubieten. Die drei Sender sollen als Zusatzabonnements in Verbindung mit dem jeweiligen Premiere-Standardabo erhältlich sein.

Die deutschen Fernsehsender Pro 7 und Sat 1 wollen bereits ab 26. Oktober ihre Programme parallel zum Normalbetrieb auch in HDTV ausstrahlen. Anders als Premiere sind die Programme von Pro 7 und Sat 1 gebührenfrei zu haben. Dies ist besonders für die Schweiz von Interesse, da hier die Programme von Premiere nicht angeboten werden. Da bei weitem nicht alle Sendungen in HDTV-Qualität zur Verfügung stehen, werden in Standarddefinition produzierte Programme «hochkonvertiert». Das ergibt zwar keine HDTV-Qualität, bringt aber einen deutlichen Gewinn gegenüber der herkömmlichen Ausstrahlung.

Zurzeit arbeiten fast alle Betreiber mit Satellit, wobei die Programme bis zur Fussball-WM 2006 auch über Kabel angeboten werden sollen. In Deutschland, Frankreich und den Niederlanden gibt es bereits Städte, in denen Fernsehprogramme in High-Definition-Qualität über die örtlichen Kabelnetze zu bekommen sind. In der Schweiz ist das aber bisher noch nirgends der Fall.

Bis 2008 wird das HDTV-Angebot drastisch gewachsen sein. Insofern lohnt sich im Handel der Blick nach «HD-ready» (siehe nachfolgend), sobald der alte Fernseher auf den Schrottplatz wandert und ersetzt werden muss.

Nun: Alles neu kaufen oder was?

Starten wir bei der Darstellung. Man braucht vorerst einen Bildschirm, der in der Lage ist, die hohe Bildauflösung darzustellen. Das ist bei den meisten Computer-Displays der Fall, aber bei fast keinem Fernsehgerät mit klassischer Bildröhre. Am ehesten kommen LCD- oder Plasma-Displays in Betracht oder auch Beamer. Wichtigste Beurteilungsgrösse ist dabei die Zahl der horizontal darstellbaren Zeilen. Es gibt keine allgemein anerkannte und verbindliche Grenze zwischen Standardauflösung (SD) und High Definition (HD), aber mehr und mehr kristallisiert sich die Übereinkunft heraus, ein HDTV-taugliches Gerät müsse im 16:9-Format mindestens 720 Zeilen darstellen können. Die meisten HD-fähigen Fernseher sind abwärtskompatibel. Den alten VHS-Player können Sie also getrost noch anschliessen und auch alle SD-Programme noch schauen. In letzter Zeit wurden einige Produkte als HD-tauglich verkauft, ohne jedoch das Versprechen halten zu können. Als «Gütesiegel» konnte man sich schliesslich auf das Label «HD ready» einigen. Nur wo «HD ready» draufsteht, kommt auch garantiert HDTV heraus. Dieses Siegel, von der EICTA und führenden Geräteherstellern gemeinsam entwickelt, bekommen nur Displays, die eine vertikale Bildauflösung von mindestens 720 Zeilen haben und neben dem YpbPr-Eingang mindestens eine digitale Schnittstelle (HDMI oder DVI-D mit HDCP-Kopierschutz) besitzen.

Für den Empfang braucht man ausser der normalen Satellitenanlage mit 60 cm-Antennenschüssel eine HDTV-tüchtige Set-Top-Box. Die neue Generation der Set-Top-Boxen kann dabei nicht nur HDTV-Signale, sondern natürlich ebenso die bisherigen digitalen Satellitensignale empfangen und darstellen. Ein weiterer Vorteil ist das brillante Hörerlebnis, denn die Audiosignale werden bei HDTV fast immer in Dolby Digital produziert und geliefert. Das garantiert fantastischen Kinosound zu Hause.

HDTV selber machen

Kommen wir zur Produktion. Langsam nimmt HD in der Produktionsbranche einen hohen Stellenwert ein. Neben den klassischen Filmproduktionen, die HD als kostengünstigere Variante zum Film einsetzen, treiben grössere Fernsehanstalten die Umstellung massiv vorwärts. Alle grossen europäischen Produzenten filmen ihre Beiträge und Sportevents mittlerweile in HD. So wird beispielsweise die Fussball-WM 2006 in Deutschland ausschliesslich mit HD-Technik produziert.

Falls Sie selber in HD produzieren wollen, bieten sich zurzeit drei technische Alternativen an. Am günstigsten ist momentan HDV, das von der Auflösung her als HD bezeichnet werden kann, jedoch durch die MPEG-2-Kompression und meist günstige Optiken der Kameras nicht ganz in der Topliga angesiedelt werden kann. Es handelt sich um ein Format zur Aufzeichnung von High-Definition-Signalen auf Mini-DV-Kassetten. Damit die hohe Datenmenge von HDTV auf diesen Kassetten untergebracht werden kann, wird ein vom «normalen» DV-Format abweichendes Datenkompressionsformat eingesetzt: MPEG-2, das ebenfalls mit einer Datenrate von 25 Mbit pro Sekunde aufzeichnet. Damit bleibt die Spielzeit der Kassetten gleich, man kann auf ihnen nun aber in HDTV-Qualität aufnehmen. Da die gesamte Mechanik unverändert bleibt, erlaubt dieses System die Herstellung von HDTV-Camcordern zu relativ günstigen Preisen.

Da HDV ein eigenständiges Aufzeichnungsformat ist, kann man diese Aufnahmen nicht auf Geräten für den DV-Standard abspielen. Allerdings enthalten HDV-Geräte die Möglichkeit, die Aufnahmen auch im Standardvideoformat auszugeben, sodass man sie auch auf jedem herkömmlichen Fernsehgerät ansehen kann. Wie in der Digitaltechnik üblich, ist man auch hier nicht an einen fixen Qualitätsrahmen gebunden. HDV taugt sowohl für das Format 720p (jedoch zurzeit nur 25 Vollbilder!) als auch für 1080i. Ob sich ein bestimmter HDV-Camcorder aufnahmeseitig zwischen beiden Formaten umschalten lässt, ist Sache der jeweiligen Gerätekonstruktion und der Modellpolitik des Herstellers.

Im Profibereich haben das DVC-Pro HD von Panasonic und das HDCAM von Sony Fuss gefasst. Die Geräte verfügen einerseits über eine professionelle Optik und grössere Chips, andererseits arbeiten sie mit einem eigenen, qualitativ hochstehenden Kompressionsverfahren, das von der Datenrate ab 100 Mbit aufwärts bessere Qualität liefert. Eher etwas für den dickeren Geldbeutel.

Zusammenfassung

HDTV kommt – endlich. Für den Haushalt bedeutet das mittelfristig die Anschaffung eines neuen TV-Gerätes, wobei die Preise stark am Sinken sind. Bis in ein, zwei Jahren wird HDTV vermutlich auch terrestrisch zur Verfügung stehen. Produktionsseitig macht das neue System Freude. Will man jedoch pures HD auf dem Computer selber bearbeiten, sind Investitionen in schnelle Festplatten und Computer nötig. Für alle, die es ernst meinen, wird es also nochmals teuer.n